Christi Widersacher

Von Monmouth verschmolz in seinem Merlin zwei in der inselkeltischen Mythologie verankerte Figuren: den Dichter-Propheten (fili) „Myrddin Lailoken„ und „das vaterlose Kind„, den jugendlichen Seher „Ambrosius„.

Merlin wird der Sohn eines Incubus, eines gefallenen Engels, und einer Demetierprinzessin und Klosterfrau. Er ist als Opfer für Vortigerns Festung vorgesehen, verblüfft jedoch den Usurpator und seine Magier mit seiner unerwarteten Sehergabe. Er sagt unter anderem Vortigerns Untergang und das Kommen von Artus (in der walischen Sage ist es Emrys Gwledig) voraus - in der Artus-Sage lehrt er den Helden und gibt ihm den Auftrag, den Heiligen Gral zu suchen.
In einer aufgesetzteren Version wird Merlin nicht von einem Incubus, sondern vom Teufel persönlich gezeugt, um später als „Mensch mit übernatürlichen Kräften und Fähigkeiten den christlichen Glauben niederzuschlagen„. Die Frömmigkeit der Mutter und die erzieherischen Einflüße des konvertierten Druiden Blaise (Bleiz) vereitelten dies jedoch, so daß Merlin sich schließlich dem Einfluß des Bösen widersetzen konnte und ihm infolge die Bosheit abging, die sein Erzeuger durch ihn in die Welt bringen wollte.
In einer weiteren Überlieferung ist Merlin der Retter von Artus, der als unrechtmäßiges, weil auf unmoralische Weise gezeugtes Kind des Uther Pendragon entweder aus politischen Gründen geopfert (getötet von Uther) oder aller erbrechtlichen Ansprüche entledigt, an Zieheltern abgegeben werden sollte. Hier nun klagte Merlin eine Schuld bei Uther ein, die jener ihm versprochen hatte, als er mit Merlins Magie die Frau seines Kriegsgegners schwängern konnte. Merlin nahm Uther das Versprechen ab, Artus seine Thronfolge , die durch eine Gottesurteil bestätigt werden würde, zu gewähren. Alsdann nahm Merlin das Kind Artus zu sich und übergab ihn der Obhut seines Freundes, dem Ritter Antor, der ihn zusammen mit seinem Sohn Kay wie einen eigenen Sohn aufzog.

Merlin erscheint wie ein mythologisches Chamäleon, das den Bedürfnissen der Überlieferer und Geschichtenerzähler entsprechen und genügen und seine Charaktereigenschaften wie Farben wechseln muß. Abkömmling des Teufels, gebrandmarkt als Bastard und Höllenprophet, Zauberer um der Machtgier und Manipulationslust wegen, ...Merlin scheint in vielerlei Hinsicht zum Proteus der Mythenschreiber und Chronisten geworden zu sein.

Dem klassischen Merlin werden im Laufe der Jahrhunderte und der literarischen Entwicklung viele Rollen zugeschrieben. Teilweise wird er als Druide dargestellt, als Barde, als Drähtezieher und Mentor der Könige Britanniens, als eigensinniger und ungestümer Hexer, als Weiser oder als Ausgeburt der Hölle. Manche sahen in ihm den personifizierten Widerpart des Christus, einen keltischen Heiland im Dienste der alten Traditionen. In vielerlei HInsicht markiert seine Person aber auch den Bruch mit dem alten keltischen Glauben - der trotz römischem Einfluß seine Originalität nie gänzlich ablegte – und den Übergang zum keltischen Christentum. Während er selbst ein der Magie Kundiger, ein Druide bleibt, wird er zugleich zum Bringer des Christentums – ein Symbol für die Epoche der Christianisierung, in der diese Sage festgeschrieben wurde und in der auch Artus als Christ auftritt.
Geoffrey Ashe:
„Merlin, wie er in der Legende zu Tage tritt, ist eine Gestalt des Übergangs, die einen Fuß in beiden Welten hat, auf gewisse Weise ein Christ, aber gleichzeitig auch ein Druide„.


(weiterlesen: Der Alchimist)