Magier der Artus-Sage



Myrddin oder Merlin ist als Name ebenso umstritten wie die Person des Zauberers und bleibt auch ebenso eine Spekulation. Es scheint jedoch Hinweise dafür geben, daß das Wort Myrddin sich ganz allgemein auf die Gabe der Prophezeiung bezieht, ergo ein erleuchteter Seher gleichsam ein Myrddin sei. (Der Name Merlin stammt von Monmouth, der auf seine Weise Myrddin zu Merlinus latinisierte). Dementsprechend wäre Myrddin(Merlin) eher eine Bezeichnung oder ein Titel, denn ein Eigenname. Der Begriff Myrddin geht höchstwahrscheinlich auf die Sage des alten walisischen Gottes Myrddin zurück, den die Waliser denn auch als Paten für Britanniens ersten Namen herbeiziehen, der Myrddins Precinct gewesen sei und nicht Albion. Geoffrey Ashe stellt einen Zusammenhang her mit der angeblichen Geburtsstadt Merlins - Carmarthen, die auf walisisch Caer-f(m)yrddin heißt, und nach jenem alten Gott benannt sei, der in seiner Eigenschaft Inspiration und magische Kräfte spendete. Somit wird Carmarthen als Monmouthsche Geburtsstadt des Merlin zweifelhaft, bestätigt aber die Leichtfertigkeit, mit der Geoffrey of Monmouth seine Verbindungen und Deutungen behandelte. Es ist Geoffrey von Monmouth, der Merlin 1134 seine Prophetia anglicana Merlini widmet, ihn 1138 in seinem Werk „Historia Regum Britannae„ erstmals als den Magier der Artus-Legende auftreten läßt und dessen Leben er 1148 in seiner „Vita Merlini„ beschreibt. Schon früher im Mittelalter wurde eine Verbindung zu einem gewissen Ambrosius hergestellt, der in der Historia Brittonum von Nennius aus dem 8./9. Jahrhundert als Prophet auftaucht, vaterlos geboren und den Briten die Zukunft kündend. Daneben hat eine mündlich überlieferte walisische Sage um einen Barden namens Myrddin unserem Merlin noch einen Vorläufer geliefert. In der Geschichte Britanniens spielt Merlin u.a. im Zusammenhang mit Artus eine nicht zu minimisierende Rolle. Beider historische Authentizität bleibt aber weiterhin spekulativ und insbesondere Merlins mythische Person weitgehendst erfunden, zumindest aber auf Fragmenten aufgebaut. Die Angelsachsen und die Anglonormannen trachteten danach, das gesamte ethnische Erbgut der britischen Insel zu vereinnahmen. Die Briten brauchten um ihres völkischen und folkloristischen Erbguts und ihrer darbenden Kultur Willen dringend einen Widerpart. In diesem Kontext wird Merlin dann neben Artus zur Galionsfigur eines wieder aufkeimenden britischen Nationalgefühls. Beide Helden werden zum nostalgisch-romantischen Synonym eines „goldenen Zeitalters“, das es in der Form nie gegeben hatte. In den Schilderungen des beginnenden 13. Jh. trug der kymrisch dargestellte Merlin noch deutliche keltische und heidnische Züge und entrückt in Wahnsinnsausbrüchen mit dröhnendem Gelächter während der Schlacht mit Emrys Gwledig, einem Ausbruch der nur „aus einer anderen Welt“ stammen konnte und die "Andersartigkeit" Merlins demonstrierte. Der Merlin des 13. Jahrhunderts ist jedoch in erster Linie ein Zauberer und Traumdeuter, ein Visionär. Er läßt seine Magie in Artus Königreich Logres wirken, greift in tagtägliches Geschehen ein und beteiligt sich mehr und mehr an der gemeinschaftlichen Suche nach dem Gral. Wie von Robert de Boron (um 1230-1240) beabsichtigt, ist das "Livre du Graal" ein Idealbild der Gralsgeschichte und der Tafelrunde und schildert eine Welt, die in ihrer Darstellung nicht bildhafter sein kann, eine Welt, die fernab der Realität des britischen Alltags nichtsdestoweniger die Geschichte beeinflußte, gar völlig auf den Kopf stellte. Merlin war die Verkörperung des britischen Propheten, der zwar seinen persönlichen Kampf gegen das ihm innewohnende Böse gewann, der nichtsdestoweniger aber sein eigenes Unglück wider besseren Wissens heraufbeschwor, weil er - in der christlichen Ideologie - zum Sinnbild des Unheils durch Wahrsagerei und schwarze Magie wurde. Seine Ambivalenz hingegen, die sich zuvor in seinem inneren Kampf zwischen Gut und Böse gezeigt hatte, wird nunmehr zwischen seinen menschlichen Stärken und Schwächen manifestiert: Er erliegt der Macht Nimues, einer Fee, die ihn verzaubert hat. Diese Nimue, Niniana, Viviana oder als Dame vom See, der er auf einer gemeinsamen langen Wanderschaft all sein Wissen vermittelte, verführt ihn schließlich mit seinen eigenen Waffen und sperrt ihn je nach der Sagenvariante für immer in eine Grotte, ein Grab oder in ein Gefängnis in den Lüften bzw. unter Wasser, in ein unsichtbares Glashaus oder verbannt ihn auf die Insel Mona (Angelsey). In Sachen Liebe und Zweisamkeit mit einer Frau liefern Merlin und Artus eher eine trübe Männlichkeit. Beide werden als dem weiblichen Geschlecht gegenüber schwach und nachgiebig dargestellt. Ihre Liebe zu ihren Angebeteten wird „als fatale Leidenschaft“ vermittelt. Für Merlin im Speziellen, gipfelt sie im christlichen Sinn als gerechte Strafe in einem grauenvollen Ende. Bei Artus hingegen verleiht die Tragik dem Epos des uneigennützigen, verzeihenden und des „nicht fehlbaren Helden“ im Dienste Gottes und des Volkes, freilich einen bedeutenden Vorschub und vermittelt dem Helden gar in den Augen des Volkes den Hauch des Märtyrers.
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