Myrddhin Wyllt

In seinen jüngeren Jahren - entsprechend der Überlieferung, daß er zeitweilig von Irrwitz und Wahn befallen war - wurde Merlin auch noch „Myrddhin der Wilde„ genannt.
Zu der Zeit soll er Barde des Gwenddoleu, welcher ein Gebiet nördlich von Hadrians Wall regierte, gewesen sein, ergo in Piktland. Gwenddoleu und alle seine Krieger wurden in einer blutigen Schlacht am Ende einer langen Belagerung um 573 getötet. Myrrdhin war der einzig Überlebende und was er erlebt hatte machte ihm geistig schwer zu schaffen. Verwirrt zog er sich auf eine Felsspitze im Wald von Celyddon zurück und lebte in tiefer Isolation und totaler Eintracht mit der Natur und in Freundschaft mit den Tieren. Rhydderch Hael, der Herrscher, der Gwenddoleu getötet hatte, bot ihm Asyl und Funktion an, aber Myrddhin war es unmöglich wieder unter Menschen zu leben und kehrte in den Wald zurück, wo er bis ans Ende seiner Tage verblieb und den Ruf eines inspirierten Propheten bekam.
Diese Schilderung deckt sich zeitlich ungefähr mit dem Gododdin des Barden und Druiden Aneirin Ende des 6. Jh., der als Einziger eine fürcherliche Schlacht überlebte „wegen meiner schönen Lieder„, wie er berichete. Gleichfalls deckt sich die Sage mit der des Briten namens Myrddin Lailoken. Dieser Lailoken wird als erleuchteter Irrer beschrieben und soll als einziger Überlebender nach der Schlacht vom Cumbria 575 verrückt geworden sein.
Merlin wurde in der literarischen Überlieferung ebenfalls oft mit Aneirin, Gwydion mâb Dôn und Taliesin gleichgesetzt.
Gehen wir davon aus, daß dieser Myrddin unser Merlin war, dann ist er nicht nach frühmittelalterlichen Kriterien gealtert, denn als Prophet bei Vortigern (ca Mitte des 5. Jh.), als Mentor von Artus (ca. 550 n.u.Z.) und als Berichterstatter der Schlacht von Cumbria Ende des 6. Jh. dürfte er älter als 200 Jahre geworden sein. Zudem müßte er sich mehr oder weniger zeitgleich an drei bis vier verschiedenen und räumlich weit auseinander liegenden Orten aufgehalten haben.
Taliesin und Merlin wurden nicht nur gelegentlich verschmolzen, in der Sage begegneten sie sich auch. Als sich Myrddin auf Celyddon zurückgezogen hatte und ein total isoliertes Eremitendasein fristete, hatte der in Gallien weilende, junge Barde Taliesin eines Tages im Schlaf eine Eingebung, er solle Merlin suchen, der sonst der Welt auf immer verloren sei. Zu dieser Zeit war noch keine Rede von Artus. Taliesin machte sich auf eine lange Wanderschaft, auf der er von einer sprudelnden Quelle geführt wurde. Nach einer langen Wanderschaft und am Ende seiner Kräfte, fand er Merlin und erkannte, daß Merlins schamanistische Katharsis sich der Vollendung näherte. Allein, würde ihn niemenad daraus erwecken, würde er auf immer entrückt bleiben. Merlin war körperlich sehr schwach und fast am Ende. Taliesin blieb eine Weile und überwachte die Genesung Merlins und bewegte ihn schließlich zur Rückkehr in die Welt der Menschen.
In vereinzelten bretonischen Gralsgeschichten galt Taliesin, der dort Theglessin hieß, als Meisterschüler jenes „alten Weisen„, der u.a. Artus führte und beriet und als sagenhafter Magier die diversen Gralsgeschichten mittrug.
Verschiedentlich verschmolzen beide - Taliesin und Merlin - zu einem Mythos, zu einer Figur und zeitweise - als Merlin sich in die Wälder zurückzog - scheint Taliesin (literarisch) auf öffentlichem Plan in die Rolle des Merlin zu schlüpfen.


(Schluß)